Gott
sorgt für dich
-
Verwirrung
ist eine höchst aktuelle Erscheinung. Man drehe den Fernseher auf,
höre Nachrichten, verfolge Talkshows, man führe sich im Internet die
Lesermeinungen zu Zeitungsartikeln zu Gemüte oder lasse einfach nur die
Kommentare mehr oder weniger prominenter Christen zu verschiedenen
Ereignissen in der Kirche auf sich wirken: verwirrend und oft verwirrt.
Hermann: In Bezug auf das Werk "Der Gottmensch" und "Medjugorie" siehe
meine Kommentare (*)
I N H A L T
EinleitungMir
ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ – diese Worte des
Herrn vor Seiner Auffahrt in den Himmel haben mich immer schon
beeindruckt (Mt 28,18). Ebenso Seine Zusage: „Seid gewiss, Ich bin bei
euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20) Was für eine
Verheißung! Der Allmächtige ist bei jedem von uns, Tag für Tag, Stunde
um Stunde, durch alle Jahrhunderte hindurch!
Wunderbar. Aber halt! Glauben wir wirklich an diese Verheißung? Dass
Jesus unser Leben begleitet, ist sicher ein äußerst tröstlicher
Gedanke. Aber dass Er allmächtig in unserem Leben, in der Geschichte
mitmischt, ja, dass Er der Herrscher über die Welt, der „Pantokrator“
ist? Im Credo bekennen wir, dass wir an Gott, den Allmächtigen, glauben
– aber wer traut sich zu, das einem Zweifler plausibel zu machen?
„Schau Dir doch die Welt an, wie es da zugeht: Kriege,
Hungerkatastrophen, Tsunamis, Attentate, demente Alte, miss?gebildete
Säuglinge, und, und… Wo bleibt da Dein allmächtiger Gott?“ bekommt man
dann zu hören. Und: „Sollte Dein Gott allmächtig sein, dann kann Er bei
diesem Elend und Chaos sicher kein gütiger Gott sein. Denk an den
Gulag, an Auschwitz, die Todesmärsche, die Pol Pot den Kambodschanern
verordnet hat! Bei all dem hat der gütige, allmächtige Gott
zugeschaut?!“
Und dennoch: Dass Gott allmächtig und barmherzig ist, ist Zentrum der
Offenbarung. Wir wollen im folgenden Schwerpunkt versuchen, Licht auf
dieses Geheimnis zu werfen, das intellektuell allerdings nie ganz
durchdrungen werden kann, das sich aber jenen mehr und mehr erschließt,
die sich im Leben auf das Abenteuer der Vorsehung einlassen. Sie machen
dabei ganz konkret die Erfahrung: Jesus ist da, Er wirkt, Er lenkt mein
Leben zum Guten – trotz allem.
.
Wer in Gottes Plan einwilligt, findet das Glück
Schwierig, an Gottes gute Vorsehung zu glauben – aber heilsam
Dass Gott alles in Händen hält, dass alles „durch Ihn (Christus) und
auf Ihn hin geschaffen“ ist (Kol 1,16), sieht der moderne Mensch nur
ganz schwer ein. Ihn umgibt ununterbrochen Menschenwerk. Er ist in
Systeme eingespannt, die einer rein weltlichen Logik der Nützlichkeit
folgen…
Ein paar Schlaglichter auf das Alltagsleben zeigen: Alles spielt sich
im Menschenwerk ab, besonders in der Stadt. Ein Blick aus dem Fenster:
die Häuserfront gegenüber; auf dem Weg zum Arbeitsplatz: die Straßen-
oder U-Bahn, das Auto, die Autobahn, der Stau in der Autoschlange,
Infos und Musikberieselung aus dem Radio, das Handy; am Arbeitsplatz:
Büros, Bildschirme, Telefone, Maschinen, Arbeitshallen, Apparate, die
Shopping City; daheim: Waschmaschine, Mikrowelle, Geschirrspüler,
Fernsehen, Video, Internet… Im Großraumbüro, in der Shopping City, im
vollklimatisierten Hotel, bekommt man nicht einmal mehr das Wetter mit.
Man muss schon einen Blick zum Himmel
werfen, in den Park gehen, einen Ausflug machen, um mit Gottes
Schöpfung konfrontiert zu werden. Aber selbst da ist es nicht
naheliegend an den Schöpfer zu denken. Denn im Biologie-Unterricht hat
man uns beigebracht, dass alles durch einen ziemlich blinden Zufall
entstanden sei. Gott wird bestenfalls am Anfang eine Rolle zugebilligt,
quasi als Auslöser des Urknalls. Aber seither nähmen die Dinge ohne Ihn
seinen Lauf.
Im öffentlichen Leben spielt Gott ebenfalls
nur eine marginale Rolle: bei feierlichen Beerdigungen wird Er erwähnt,
an arbeitsfreien Tagen erinnert man sich, dass die meisten Feiertage
christlichen Ursprungs sind, bei Hochzeiten in königlichen Familien
wird Wert auf kirchliches Zeremoniell gelegt… Aber dort, wo die
wirklich relevanten Entscheidungen fallen, wird Gott nicht in die
Überlegungen einbezogen: in den Parlamenten, den Gerichten, den
Vorstandssitzungen der Großkonzerne…
Ich erinnere mich gut an eine ÖVP-Tagung zum
Thema Lebensschutz. Da erklärte ein Vortragender, seines Zeichens
Professor der Philosophie, im pluralistischen Staat könne man die
christlichen Moralvorstellungen nicht mehr als Grundlage der
Gesetzgebung heranziehen. Da er auch einen „Biologismus“ ablehnte, also
aus der Naturbeobachtung rührende Erkenntnisse, die Rückschlüsse auf
das Wollen des Schöpfers ermöglicht hätten, war der Weg frei für die
Entwicklung einer Ethik des Lebens, die reines Menschenwerk war.
Der moderne Mensch ist eben daran gewöhnt,
Religion als Privatsache anzusehen. Jeder habe da seine eigene
Wahrheit: Du die Deine, ich die Meine. Genaues wisse man da nicht.
Schließlich hätten die Buddhisten, die Hindus, die Indianer, die
Muslime auch tiefe Einsichten.
Und dennoch: Da bleibt ein tief im Menschen
verankertes Wissen bestehen, dass Gott nahe ist, dass Er angerufen
werden kann und dass wir uns von Ihm Hilfe erwarten dürfen. Das Zeugnis
von Prableen Kaur, einer 23-jährigen Frau, die sich während des Wütens
des Massenmörders Anders Breivik auf der norwegischen Insel Utoya
aufgehalten hatte, rief mir unlängst diese Tatsache in Erinnerung.
Sie schreibt: „ Ich dachte: Jetzt werde ich
sterben. Ich stürzte, aber ein Junge half mir auf. Wir sind in den Wald
gelaufen. Ich habe mich umgesehen: Ist er da? Schießt er auf uns? Kann
er mich sehen? Ein Mädchen hatte einen gebrochenen Knöchel, ein anderes
war schwer verletzt. Ich habe versucht zu helfen, bevor ich weiter in
Richtung Ufer gelaufen bin. Dort haben wir uns hinter einer Art Mauer
versteckt. Ich habe gebetet, gebetet, gebetet. Und gehofft, dass Gott
mich sieht.“
Gebetet, gehofft, dass Gott mich sieht –
dass Er mich hört. Ähnliches, wenn auch nicht so spektakulär, habe ich
erlebt in der Zeit, als ich noch dem Glauben fernstand. Meine damals
neun Monate alte Tochter war erkrankt, auf dem Kopf übersät mit
Furunkeln, davon eines besonders gefährlich an der Nasenwurzel. Als ich
sie und meine Frau im Spital verließ, erklärte mir der Arzt, die
Überlebenschance sei 50%, je nachdem wohin sich das Furunkel öffnen
würde. Zutiefst geschockt erinnerte ich mich auf dem Heimweg an Gott,
den es für mich eigentlich ja gar nicht gab, und ich bot Ihm für die
Heilung meiner Tochter einen Deal an – den ich zu meiner Schande erst
Jahre später eingelöst habe.
Die meisten Menschen haben eben ein oft
verschüttetes, unterdrücktes, verdrängtes Wissen um die Nähe Gottes und
um dessen Macht, in unser Leben einzugreifen. Dieses Wissen gilt es zu
mobilisieren und zur Entfaltung zu bringen – und das nicht nur in
äußersten Notsituationen. Wenn uns Gott in Notsituationen helfen kann –
warum sollte Er es dann nicht auch im übrigen Leben tun wollen? Israel
hat diesen Gott jedenfalls als einen Beistand erlebt, von dem der
Psalmist sagt: „Der Herr ist gnädig und barmherzig. Er hat seinem Volk
seine machtvollen Taten kundgetan…“ (Ps 111). Und beim Propheten Joel
lesen wir über Gott: „Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und
reich an Güte, und es reut ihn, dass er das Unheil verhängt hat.“ (2,13)
Bei diesen zwei Schriftstellen erscheinen
mir zwei Punkte bedenkenswert. Gott hat sich dem Volk durch machtvolle
Taten kundgetan. Sein Wirken war somit nicht auf den Privatbereich des
jeweiligen Bittstellers beschränkt, sondern offenkundig vor den Augen
des Volkes, ja „vor den Augen der Völker“, wie es im Psalm 118 heißt.
Wirkt Er somit tatsächlich in der Geschichte, in der „großen“, in das,
was wir Weltgeschichte nennen?
Selbstverständlich: Wenn wir an Gottes
Heilswirken im eigenen Leben glauben, impliziert dieser Glaube, dass Er
auch die gesamte Geschichte lenkt. Denn was ist denn die Geschichte
anderes als das Geflecht von Entscheidungen und Handlungen einzelner
Menschen. Jeder von uns schreibt Geschichte. Sicher, in den
Geschichtsbüchern wird wenig vom Wirken der meisten von uns berichtet
werden. Aber das liegt an der Unmöglichkeit das unüberschaubare Gewebe
der Interaktionen der Milliarden von Menschen, die den Erdkreis
bewohnen, zu überblicken.
Die Entscheidungen der „Großen“ werden
mitbestimmt von deren Kontakten, Hoffnungen, Informationen,
Begegnungen, Launen, Ängsten, Sorgen…, alles Faktoren, die vom
unüberschaubaren sozialen Umfeld beeinflusst sind – mitbestimmt aber
auch von Intuitionen, Einfällen, Impulsen, deren Ursprung im geistigen
Bereich liegt, wo Gott und Seine Engel um das Heil der Menschen ringen.
Auf einen zweiten Punkt möchte ich noch zu
sprechen kommen. Beim Propheten Joel lesen wir, Gott habe das Unheil,
das Er verhängt hatte, gereut. Irgendwie kommt einem diese Aussage
merkwürdig vor. Wie kann der allmächtige, gütige Gott etwas tun, was
Ihm später leid tut? Diese menschliche Art zu reagieren ist für Gott
nicht wirklich vorstellbar. Sehr wohl bringt dieser Satz aber zum
Ausdruck, dass von Gott auch Unheil „verhängt“ wird, was schwer zu
verstehen ist.
Einen Zugang haben mir die Worte des Herrn
eröffnet, die der Psalmist festgehalten hat: „Doch mein Volk hat nicht
auf meine Stimme gehört; Israel hat mich nicht gewollt. Da überließ ich
sie ihrem verstockten Herzen, und sie handelten nach ihren eigenen
Plänen.“ (Ps 81,12f) Das „verhängte Unheil“ hat seinen Ursprung in der
Gottferne, in unseren eigenen, fern von Gott erstellten Plänen. Weil
Gott unsere Freiheit achtet, lässt Er zu, dass wir solche Pläne
aushecken und auch umsetzen.
Aber Er zieht sich nicht in einen Schmollwinkel zurück, sondern nützt
das, was weltweit an Unheil gewirkt wird, um es zum Instrument Seines
Heilswirkens zu machen. Das ist verstandesmäßig schwer zu erfassen,
drückt aber aus, dass Gott zwar unsere Freiheit achtet, dass er aber
jenseits dieser Freiheit weiterhin souverän in Seinem Heilswirken
bleibt.
P. Werenfried van Straaten hat einmal ein
sprechendes Bild für dieses Geheimnis entworfen: Die Schöpfung sei wie
ein herrliches Mosaik aus der Hand Gottes hervorgegangen. Durch den
Einbruch des Bösen handelten wir Menschen nun aber wie schlimme Kinder,
die fortgesetzt mit Steinwürfen dieses Bild zu zerstören versuchen –
und der Herr, in Seiner Güte, lasse die so entstanden Scherben zu einem
stets schöneren Bild in Seiner gütigen Hand zusammenfallen.
Auf diese Weise wird das, was wir hier aus
irdischer Sicht als Katastrophe erkennen, durch Gottes souveränes
Wirken zum Werkzeug, mit dem Er unser ewiges Heil wirken will. Gott
kämpft gewissermaßen an einer anderen Front als wir irdisch gesinnten
Menschen. Wir ringen um Wohlstand, Ansehen, Gesundheit, usw... und
kämpfen gegen Krankheit, Tod, Schmerz, Leid, Armut, Bedürftigkeit. Wenn
nun Gott solche Übel zulässt, so nur insofern, als sie uns den Weg
ebnen zu dem einzig wirklichen Gut, um das es sich zu kämpfen lohnt:
der ewigen Glückseligkeit in Seinem Reich.
Keine Frage: All diese Überlegungen sind nicht wirklich imstande, das
Geheimnis der Vorsehung Gottes zu durchschauen. Denn Gottes Gedanken
sind nicht unsere Gedanken. Dass der Vorsehung zu folgen, aber
entscheidend für des Menschen Erfüllung ist, geht klar aus den Worten
Papst Benedikt XVI. in der Enzyklika Caritas in veritate hervor: „Jeder
findet sein Glück, indem er in den Plan einwilligt, den Gott für ihn
hat, um ihn vollkommen zu verwirklichen: In diesem Plan findet er
nämlich seine Wahrheit, und indem er dieser Wahrheit zustimmt, wird er
frei.“
(Christof Gaspari)
Vertrau auf die nie endende Liebe Gottes
(Papst Benedikt XVI)
Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren
leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse
dich nicht“ (Jes 49,15). Diese Aufforderung zum Vertrauen in die nie
vergehende Liebe Gottes steht neben der ebenso eindrucksvollen Stelle
aus dem Matthäusevangelium, wo Jesus seine Jünger ermahnt, auf die
Vorsehung des himmlischen Vaters zu vertrauen, der die Vögel des
Himmels ernährt und die Lilien auf dem Feld kleidet und um alle unsere
Bedürfnisse weiß (vgl. 6,24–34). (…)
Angesichts der Situation vieler Menschen in Nah und Fern, die im Elend
leben, könnte diese Rede Jesu den Anschein erwecken, wenig realistisch,
wenn nicht gar ausweichend zu sein. Tatsächlich aber will der Herr mit
aller Deutlichkeit zu verstehen geben, dass man nicht zwei Herren
dienen kann: Gott und dem Reichtum. Wer an Gott glaubt, den Vater, der
voller Liebe zu seinen Kindern ist, räumt der Suche nach seinem Reich,
nach seinem Willen, den ersten Platz ein.
Und das ist das genaue Gegenteil des Fatalismus oder eines naiven
Irenismus. Der Glaube an die Vorsehung nämlich enthebt nicht des
mühsamen Kampfes um ein würdiges Leben, sondern befreit von den Sorgen
um die Dinge und von der Angst vor dem Morgen. (…)
In jedem Fall aber zeichnet sich der Christ durch das absolute
Vertrauen in den himmlischen Vater aus, wie dies bei Jesus der Fall
gewesen ist. Gerade die Beziehung zu Gott, dem Vater, verleiht dem
ganzen Leben Christi Sinn: seinen Worten, seinen Taten des Heils bis
hin zu seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung. Jesus hat
uns gezeigt, was es bedeutet, mit den Füßen fest auf dem Boden zu
stehen, gegenüber den konkreten Situationen des Nächsten aufmerksam zu
sein und zugleich stets das Herz auf den Himmel auszurichten,
eingetaucht in die Barmherzigkeit Gottes.
Papst Benedikt XVI.
Aus der Ansprache beim Angelus am 27.2.11
Die Vorsehung: ein großes Geheimnis
Gott ist absolut souverän: Der Verstand kann es nicht fassen,
aber alle Heiligen glaubten daran
Kann
man das Wüten von Tornados, die Verfolgungen in Terrorregimen, die
Geburt behinderter Kinder in Einklang bringen mit dem Wirken des
allmächtigen und gütigen Gottes? Die Kirche lehrt es jedenfalls und P.
Descouvemont versucht, es uns im Folgenden nahezubringen.
Was hat Sie veranlasst, über die Vorsehung zu schreiben? Pierre Descouvemont:
Sie ist eines der Geheimnisse des christlichen Glaubens, an dem vor
allem heute viele irrewerden. Ein allmächtiger Gott kann doch nicht
Auschwitz, die Vernichtungslager, die Völkermorde, die schrecklichen
Kriege des letzten Jahrhunderts zugelassen haben!
Nach Auschwitz scheint es tatsächlich schwierig zu behaupten, alles sei Gnade. Descouvemont: Natürlich,
so darf man es auch nicht sagen. Spricht man mit Jemandem, der durch
eine Erfahrung traumatisiert wurde, darf man ihm nicht mit großen Worten
von der Vorsehung daherkommen. Da hört man zu und lässt ihn seine
Auflehnung und sein „warum nur!“ hinausschreien. Hat nicht auch Jesus zu
Seinem Vater geschrien: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich
verlassen?“
Hat uns die Bibel etwas Besonderes über das Geheimnis des Bösen zu sagen? Descouvemont:
Selbstverständlich – obwohl es heute zum guten Ton gehört zu sagen,
Gott begnüge sich damit, uns beizustehen – stehe aber den vielen
Katastrophen, die sich auf unserem Planeten ereignen, ohnmächtig
gegenüber. Alle Häresien haben ihren Ursprung dort, wo Kanzelredner die
Meinung vertreten: „Heute kann man nicht mehr sagen, dass…“ Heute kann
man nicht mehr wie im Credo verkünden: „Ich glaube an Gott, den Vater,
den Allmächtigen.“ Man zieht es vor, an einen Vater zu glauben, dessen
Liebe allmächtig ist, an einen Gott, der schweigt und nicht
einschreitet, wenn Sein vielgeliebter Sohn am Kreuz leidet und stirbt.
Indem man erklärt, Gott lasse Seine Kinder die Welt nach deren Gutdünken
gestalten oder zerstören – was zutrifft – und Er habe beschlossen, bis
auf seltene Ausnahmen nicht in den Lauf der Geschichte einzugreifen,
erscheint die Allgegenwart des Unheils in der Geschichte weniger
skandalös.
Sie teilen diese Ansicht nicht? Descouvemont:
Die meisten Häresien sind vom großherzigen Bestreben geleitet, nicht zu
schockieren. Aber diese Sicht ist falsch – und das ist nicht meine
Privatmeinung: Die Vorsehung wird in der ganzen Schrift verkündet; sie
wurde und wird auch heute von den Heiligen gelebt und der Kirche, die
ihr mehrere Paragraphen im Weltkatechismus widmet (siehe Kasten),
gelehrt.
In der ganzen Schrift verkündet? Descouvemont:
Vom Alten Bund an offenbart Gott Seinem Volk, dass Er es eifersüchtig
bewacht und das Schicksal der Völker in den Händen hält. Die Schrift
macht Gott nicht verantwortlich für das Böse, das Satan und die Sünder
bewirken, sie stellt klar, dass Er auf geheimnisvolle Weise dessen
Ursprung ist.
Und im Neuen Bund? Descouvemont:
Das große Wort, das dieses Geheimnis zusammenfasst – es war Milliarden
von Christen eine Hilfe –, hat Paulus geäußert: „Wir wissen, dass Gott
bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28), einer der
aufregendsten Sätze der Schrift – zusammen mit der inständigen Bitte
Jesu in Gethsemani: „Vater, nicht mein, sondern dein Wille soll
geschehen“(Lk 22,42) Jesus sieht den Willen des Vaters bezüglich Seines
Leidens und betet diesen an, eines Leidens, das die Bosheit der Menschen
und der mörderische Wille des Fürsten der Finsternis Ihm auferlegen und
das Er sich anzunehmen bereit macht. Denken Sie auch an die erste
Predigt in der Geschichte der Kirche, zu Pfingsten. Petrus ist da nicht
zimperlich, als er den Leuten in Jerusalem verkündet: „Jesus, den
Nazoräer, (…), der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen
hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz
geschlagen und umgebracht.“ (Apg 2,22f) Und die erste Katechese des
Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus: „Musste der Messias nicht all
das erleiden…?“ (Lk 24,26) Es war vorgesehen, im Plan Gottes: Der
Menschensohn musste leiden.
Sie betonen sehr stark den Glauben der Heiligen an die Vorsehung. Descouvemont:
Ich biete jedem 20.000 € in bar, der mir einen Heiligen nennt, der
nicht an die Vorsehen geglaubt hat! Ob es nun Frédéric Ozanam oder
Bernadette Soubirous mit der Krankheit, Johannes vom Kreuz mit den von
seinen Nächsten verursachten Verletzungen, Vinzenz von Paul mit den
erlittenen Ungerechtigkeiten, Don Bosco mit den Verfolgungen sei… Alle
Heiligen ohne Ausnahme haben, ohne zu zögern, daran geglaubt, dass Gott
Seine Gründe hat, wenn Er diese oder jene Prüfung in ihrem Leben oder
bestimmte Katastrophen in der Welt zugelassen hat. So etwa Thomas Morus,
der knapp vor seiner Hinrichtung seine Tochter, wie folgt, tröstet:
„Nichts geschieht ohne den Willen Gottes. Alles jedoch, was Er will, so
schlimm es uns auch erscheinen mag, ist dennoch für uns das
Bestmögliche.“ Oder die heilige Katharina von Siena, die jenen, „die
sich über das, was ihnen zustößt, empören und dagegen auflehnen, sagt:
„Alles hat seinen Ursprung in der Liebe, alles ist auf das Heil des
Menschen ausgerichtet. Gott wirkt nur in dieser Absicht.“ Madeleine
Delbrêl – sie ist noch nicht heiliggesprochen – stellt fest, wir müssten
vor jedem unserer Tage in die Knie gehen, weil Gott ihn von Ewigkeit
her aus Liebe für uns bereitet habe (…), was gleichbedeutend mit dem
„Alles ist Gnade“ von Thérèse von Lisieux ist.
Gott hat Seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt? Descouvemont:
Tatsächlich. Die Heiligen versuchen nicht, Gott auf die Schliche zu
kommen, denn Gottes Absichten sind unergründlich. „Meine Gedanken sind
nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege.“ (Jes 55,8) Der
heilige Pfarrer von Ars wurde nicht müde, seinen Pfarrkindern zu sagen:
„Man braucht gar nicht danach zu fragen, woher die Kreuze kommen: immer
von Gott. Sei es nun der Vater, die Mutter, ein Ehegatte, ein Bruder,
der Pfarrer oder der Kaplan, immer ist es Gott, der es uns ermöglicht,
Ihm unsere Liebe zu beweisen.“ Verkünden Sie das heute in einer Predigt,
man wird sie für einen Bußprediger aus längst vergangenen Tagen halten.
Gott kann doch nicht Tsunamis, Völkermorde wollen, dass Kinder behindert zur Welt kommen… Descouvemont:
Nein. Gott kann das Böse nicht wollen. Gott hat einen heiligen Horror
vor dem Bösen. Aber Er lässt es um eines größeren Gutes willen, das wir
nicht zu fassen vermögen, zu.
Wirklich ein ganz verwirrendes Geheimnis… Descouvemont:
Ebenso wie alle anderen Geheimnisse unseres Glaubens! Wir sind
herausgefordert, scheinbar widersprüchliche Wahrheiten zu bekennen. Das
erste Paradoxon lässt sich so ausdrücken: Es gibt in der Welt Ereignisse
und Handlungen, die absolut im Widerspruch zum Willen Gottes stehen,
weil es sich entweder um Naturkatastrophen handelt, unter denen Kinder
leiden, oder um Sünden, die Gott total ablehnt. Und dennoch nützt Er
diese Ereignisse, um Seinen Plan zu verwirklichen. Er „nützt“
gewissermaßen das Böse, um daraus Gutes zu wirken. Es wird in Seinen
„Plan“ integriert. Diese Zuversicht hat den Heiligen ihre unfassbare
Abgeklärtheit inmitten von Prüfungen gegeben. Das ließ auch Papst
Johannes XXIII. folgendes Abendgebet formulieren: „Herr, die Welt – das
ist Deine Sache, ich lege mich schlafen.“ Das zweite Paradoxon ist
nicht weniger erstaunlich: Wenn jemand bewusst eine Handlung setzt, ist
dies vollkommen das Ergebnis seiner Freiheit. Der Zusammenklang zwischen
der Freiheit des Menschen und der Gottes ist äußerst geheimnisvoll: Wir
sind keineswegs Marionetten in Gottes Händen – und dennoch ist Er es,
der die Welt leitet.
Wie kann Gott innerhalb der Freiheit wirken? Descouvemont:
Das ist ein großes Geheimnis. Luther hat sich daran die Nase blutig
geschlagen. (…) Seine Schlussfolgerung: Der Mensch vermeint nur, frei zu
sein, obwohl er es tatsächlich nicht ist: Er sei eben voll und ganz vom
souveränen Willen Gottes bestimmt. Das hatte dann die bekannte These
von der Prädestination zur Folge, die Calvin und die Jansenisten
aufgegriffen haben. Augustinus (…) hingegen kam zu dem Schluss: Gott
schafft alles – und dennoch sind wir zu 100 % frei. (…)
Augustinus erklärte auch: „Aus Bösem schafft Gott Gutes.“ Descouvemont:
Ja. Und Augustinus erklärt: „Weil der allmächtige Gott in Seiner Güte
absolut souverän ist, ließe Er in Seinem Werk nie irgendein Übel zu,
wenn Er nicht die Macht und Güte besäße, aus diesem Übel etwas Gutes zu
wirken.“ Gott nützt nicht nur das Übel, Er bedient sich sogar des
Teufels! Das ist eines der größten Geheimnisse des Glaubens. Gott
bedient sich Satans für Seine Ziele. Dass Satan auf seine Art zum
geistigen Wachstum der Menschen beiträgt, ist „ein großes Geheimnis“,
erklärt der Weltkatechismus (§ 395). (…)
Gottes Plan ist wirklich nicht immer leicht zu erkennen. Descouvemont:
Das hängt davon ab. Manchmal ist es relativ einfach zu sehen, wie Gott
die Ereignisse im Leben zu meinem Besten führt: die Menschen auf meinem
Weg; die Talente, die ich bekam; die Ereignisse, die sich ergaben; die
erhaltenen Gnaden…
Meistens aber wandelt man im Dunkeln… Descouvemont:
Ja. Oft scheint Gott abwesend. Man kann es nicht oft genug sagen:
Christen verfügen nicht über Spezialbrillen, die rosa sehen lassen, was
schwarz oder grau ist, und auch nicht über eine Fernsicht, die sie im
voraus die seligen Spätfolgen des gegenwärtigen Elends erkennen lassen.
Nur im Glauben, im nackten Glauben, gilt es, die Worte der Buches der
Weisheit zu wiederholen: „Wir und unsere Worte sind in seiner Hand…“
(Weis 7,16) An die Vorsehung zu glauben, wenn ich einen Unfall habe,
heißt nicht, mir einzureden, das Glatteis sei das Beste gewesen, was mir
in diesem Moment hätte zustoßen können. Vielmehr bin ich
herausgefordert zu glauben – und das ist schon enorm! –, dass Gott
meinem Schutzengel aufgetragen hat, den Unfall nicht zu verhindern, weil
Gutes aus diesem Unglück hervorgehen kann. Und dieses Gute besteht
zunächst darin, meinen Glauben an die unendliche Zärtlichkeit Gottes für
mich wachsen zu lassen.
Was schwer zu akzeptieren ist! Descouvemont:
Nein, es ist nicht schwer… Es ist unmöglich! Ohne Gottes Gnade ist es
unmöglich, an das Geheimnis der göttlichen Vorsehung zu glauben – und
vor allem aus diesem Glauben im Moment der Prüfung zu leben. Sich dem
Willen Gottes zu unterwerfen, erfordert eine Überdosis von Heiligem
Geist. Alle Heiligen haben begriffen, dass Gott uns nur unmögliche
Aufträge erteilt. Er will, dass wir lieben – und wir schaffen es nicht.
Er will, dass wir vergeben – und wir schaffen es nicht. Er verlangt,
dass wir uns Seinem Willen ergeben – wir schaffen es nicht! Daher ist
Jesus unter uns erschienen: Um das in uns zu bewirken, was wir von uns
aus nicht schaffen können. Je mehr man im christlichen Leben
voranschreitet, umso mehr erkennt man die Wahrheit des Wortes Jesu:
„Ohne mich könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). Aber auch: „Denn
für Gott ist nichts unmöglich.“ (Lk 1, 37) (…)
Ist die Lehre von der Vorsehung nicht lähmend, wenn Gott sich doch um alles kümmert? Descouvemont:
Daran zu glauben, hat Christen nie davon abgehalten, gegen all das
anzukämpfen, was die Menschen weltweit zugrunde richtet. Daher lasse ich
in meinem Buch viele Heilige zu Wort kommen, die gegen das Elend
angekämpft haben: den heiligen Vinzenz, Mutter Teresa. Die christliche
Haltung ist gut in dieser Formel zusammengefasst: „Man muss so handeln,
als hinge alles von uns ab und so beten, als hinge alles von Gott ab.“
Pierre
Descouvemont ist Theologe und gefragter Prediger sowie Autor mehrer
Bücher, insbesondere Peut-on croire en la Providence? édition de
l’Emmanuel, 13 €. Das Interview ist ein Auszug aus dem Gespräch, dasLuc
Adrian für „Famille Chrétienne“ v. 16.6.2007 geführt hat.
Du wirst sehen, alles, alles wird gut sein
Angesichts der Erschütterungen des Glaubens heute die Zuversicht bewahren
Es
stimmt: An Gottes gütige Vorsehung zu glauben, ist schwierig, besonders
wenn man in scheinbar ausweglose Lebenslagen geraten ist. Allen, die
von Verbitterung und Resignation bedroht sind, will der Autor im
Folgenden eine Perspektive eröffnen. Neulich
bei einem Spitalsbesuch sprach mich im Gang ein Krankenpfleger an und er
sagte zu mir: „Herr Pfarrer, können Sie mir etwas erklären? In diesem
Zimmer da liegt ein 93-jähriger Mann, er hat unerträgliche Schmerzen und
nur einen Wunsch, endlich sterben zu können, und er kann nicht sterben.
Im Zimmer nebenan liegt ein 27-jähriger Mann, Vater von zwei kleinen
Kindern, der mit allen Fasern an seinem Leben hängt, aber er wird keine
zwei Tage mehr zu leben haben. Können Sie mir das erklären? Wie bringen
Sie das in Einklang mit dem Glauben an ‚Den-da-oben‘?“ Solchen
Situationen begegnet man als Seelsorger fast jeden Tag. Und man ist
meistens außerstande, auf solche Fragen - so zwischen Tür und Angel -
eine Antwort zu geben, die einen nicht selber leer zurücklässt. Meistens
steht man selber ganz betroffen da und ist hineingenommen in das Dunkle
und Erschütternde solcher Ereignisse. Jeder Mensch erlebt solche
Erschütterungen, Verletzungen: Es sind Versuchungen im Glauben. Jeder
Mensch erlebt Situationen, wo sein Glaube an einen gütigen Gott bis in
die Fundamente erschüttert wird und ins Wanken kommt. Und in der Tat:
Viele Menschen werden mit schweren „Schicksalserfahrungen“ nicht fertig
und wenden Gott den Rücken zu: „Ich kann nicht mehr glauben. Ich kann
nicht mehr beten. Ich kann nicht mehr an einen Gott glauben, der solches
zulässt.“ Sie leugnen im Grunde nicht Gott, sondern wollen einfach mit
Ihm nichts mehr zu tun haben. Sie sind enttäuscht von Ihm, verletzt,
sie finden – weil viele dann auch das Beten aufgeben - in Gott kein
wirkliches Vertrauen mehr. Ich bin immer wieder Menschen begegnet,
die an Gott verzweifelt sind und die es vorziehen, nicht mehr an Gott zu
denken und zu Gott zu beten, damit sie von Ihm nicht mehr enttäuscht
werden. Ich bin auch immer wieder schmerzlich betroffen, wenn ich als
Priester erleben muss, wie diese Distanziertheit gegenüber Gott auch bei
alten Menschen – selbst bei solchen, die ein Leben lang zur Kirche
gegangen sind –, weit verbreitet ist: „Ja, wir werden dann sehen, ob
dann noch etwas kommt… Lassen wir uns überraschen… Wenn’s dann nichts
gibt, macht’s ja auch nichts...“ Wahrscheinlich kennen Sie alle das innige Gedicht von Eduard Mörike, in dem er betet:
„Herr, schicke was Du willst, ein Liebes oder Leides! Ich bin vergnügt, dass beides aus deinen Händen quillt.“
Wer spricht
aus solchen Zeilen? Ein Mensch, der aus einem unverbrauchten Herzen
glaubt, ein Mensch, der täglich in das Wort Gottes geschaut hat und –
wie ein Kind – an seinen Vater im Himmel glaubt und sich in seiner
Vaterliebe geborgen weiß. Dieser biblische Glaube, dass unser
persönliches Leben und das Leben der Völker – und des gesamten Planeten –
„in guten Händen“ ist und dass ein unbegreiflicher göttlicher Wille
alles – auch das Böse – einem guten Ziel zuführt, das können wir nicht
beweisen. Wir können dafür noch so viele Bibelstellen als Beleg
anführen – dem, der es nicht glauben kann, nützt es nichts. Letztlich
bleibt dieser Glaube und das Feststehen in diesem Glauben eine
unverdiente Gnade, die nur der in sich bewahren kann, für den das
tägliche Gespräch mit dem Vater in der Stille der Kammer und die
Schriftlesung so selbstverständlich sind wie das Frühstück am Morgen und
das Brot am Abend. Der heilige Franz von Sales hat gegen Ende
seines Lebens etwas gesagt, das er auch uns ans Herz legen möchte: „Der
Herr hat mich von Jugend auf gelehrt, der Vorsehung zu vertrauen. Und
wenn ich noch einmal zur Welt käme, ließe ich mich von vornherein – auch
in den geringfügigsten Dingen – von dieser göttlichen Vorsehung mit der
Einfalt eines Kindes und mit der Verachtung aller menschlichen Klugheit
leiten. Es ist für meine ganz Gott hingegebene Seele ein wahres
Vergnügen, mit geschlossenen Augen dahin zu wandeln, wohin Gottes
Vorsehung mich führen mag. Ihre Absichten sind unerforschlich, aber
immer wunderbar und liebreich denen, die sich ihr anvertrauen. Ich bin
sicher, alle Heiligen würden dasselbe sagen. Ich denke spontan an
Don Bosco, den Pfarrer von Ars, Mutter Teresa, Mutter Maria Bernarda,
die „Schwestern von der göttlichen Vorsehung“ und unzählige andere
Heilige und christliche Ini?tiativen, die ihr ganzes Leben und Werk auf
die „Divina Providentia“, die göttliche Vorsehung, gebaut haben und das
Wunder solcher Fürsorge Gottes täglich erlebt haben. Und ich bin sicher,
dass auch Leser von VISION 2000 dasselbe sagen könnten. Es gibt auch
heute gläubige Christen, die Gottes Vorsehung – trotz schmerzlich
durchkreuzter Wege und Pläne und dem oft so drückenden Schweigen Gottes –
in ihrem Leben wunderbar erfahren haben, dass sie gar nicht aus dem
Staunen und der inneren Anbetung herauskommen. Es erstaunt mich
immer wieder, dass Menschen, die z.B. einen schweren Unfall hatten, die
dadurch Gesundheit, Beruf, Ansehen verloren oder von einer schweren, ja,
tödlichen Krankheit oder sonst einem grausamen Schicksal zermalmt
wurden, von sich sagen können: „Es ist gut, es ist alles gut!“ Gemeint
ist hier jenes „gut“, das Gott am Anfang zu Seiner Schöpfung gesprochen
hat und das in diesen Menschen wunderbaren Widerhall findet. Und hören
oder lesen wir nicht immer wieder von Menschen, die eine
Nahtod-Erfahrung gemacht und etwas vom ewigen Licht empfunden haben,
dass sie alle dasselbe erlebt haben: „Ich erlebte einen
unbeschreiblichen Frieden, ein so unbeschreibliches Glück, dass darin
alles, was ich je im Leben erlebt hatte, selbst die schlimmsten
Erfahrungen, völlig belanglos waren.“ Wir lesen von solchen
Erfahrungen und Empfindungen auch bei den Mystikern. Als z.B. die Hl.
Mechthild von Magdeburg einmal im Geiste in das himmlische Licht
entrückt wurde, da macht sie diese Erfahrung: „Ich konnte mich nicht
mehr an die Erde erinnern und auch an keine Not meines Herzens. Ich
hatte die Absicht, wenn ich dich [Jesus] sähe, mich bei dir sehr über
die Erde zu beklagen. Nun hat mich, Herr, dein Anblick überwältigt, denn
Du hast mich weit über meinen Rang erhoben.“ Eine ähnliche
Erfahrung macht auch Juliana Norwich. Sie schreibt: „Und ich erkannte in
Wahrheit, dass nichts durch Zufall oder von ungefähr geschieht, sondern
alles durch Gottes Weisheit… Unsere Blindheit und Kurzsichtigkeit ist
die Ursache, wenn uns etwas durch Zufall oder von ungefähr geschehen
scheint.“ Juliana fand sogar Eingang in den Katechismus der Kirche mit
dem folgenden Zitat: „Durch die Gnade Gottes wurde ich inne, dass ich
mich fest an den Glauben halten und nicht weniger fest stehen muss, dass
alles, wie es auch sein mag, gut sein wird... Und Du wirst sehen, dass
alles, alles gut sein wird.“ „Und Du wirst sehen, dass alles, alles
gut sein wird.“ Das, liebe Leser, ist der Glaube der Bibel, der Glaube
der Kirche, der Glaube der Kinder Gottes, der Glaube der Heiligen.
Diesen Glauben und diese Verheißung stellt uns Gott, der Vater, selber
vor Augen in Seinem geliebten Sohn: Durch Seine „Katastrophe“ hindurch
führte er Ihn zur Herrlichkeit der Auferstehung! Nehmen Sie
Christus zum Vorbild, die Heiligen, nicht die Zweifler, nicht die
Rationalisten, nicht jene, die das Gebet in ihrem Leben vernachlässigen,
denn nur „ein Mensch des Gebetes ist in Frieden mit sich und der ganzen
Welt“ (Mahatma Gandhi). Gott ist zu groß für uns, zu unbegreiflich, zu
unfassbar, wir können Ihn nicht verstehen, nicht begreifen. Er ist die
Liebe, aber er ist auch der Heilige. Er ist uns der Nächste, aber auch
der Fernste. Er ist der Zärtliche, aber auch der Herrliche und
Schreckliche. Aber in allem ist Er Liebe, auch im Schrecklichen, auch
wenn wir es nicht verstehen können. „Die Beweggründe der göttlichen
Vorsehung wären sehr armselig, würden wir kleinen Geister sie einsehen“,
so der Hl. Franz von Sales. Wenn Sie, liebe Leser, Schweres im
Leben erfahren, vielleicht Grausames, Unbegreifliches: den Unfalltod
ihres einzigen Kindes, eine unheilbare Krankheit, den Suizid ihres
Vaters, Bankrott und Arbeitslosigkeit…, kehren Sie nicht Gott den Rücken
zu! Murren Sie nicht, fluchen Sie nicht, verstummen Sie nicht im
Schmerz, sondern halten Sie Ihre „Katastrophe“ immer wieder im Gebet dem
Vater hin, dass Er daraus ein Wunder der Auferstehung wirke! „Und Du
wirst sehen, dass alles, alles gut sein wird.“ Und sprechen Sie mit
Jesus: „Abba, Vater, dein Wille geschehe!“ – auch wenn Sie seinen
heiligen Willen und sein Schweigen nicht verstehen. Dann wird der Vater
auch Ihnen, wie Seinem geliebten Sohn, einen heiligen Engel schicken,
und er wird Sie mit seiner Kraft und seinem Trost beschenken, damit Sie
durch Schmerz und Dunkel hindurch zum herrlichen Licht der Auferstehung
finden.
Der Autor ist Pfarrer em. in Bad Ragaz.
Ich war stets geführtGottes Engel behütet dich (Maria Loley; Christopf Gaspari)
in
Leben im Dienst ihrer Mitmenschen – als Familienfürsorgerin,
international geehrte Organisatorin von Flüchtlingshilfe und bis heute
im hohen Alter als Ratgeberin für Hilfesuchende aller Art: Maria Loley
ist ihr Leben an der Hand Gottes gegangen.
Wenn Dich jemand fragen würde: Was ist Vorsehung? – wie würdest Du antworten? Maria Loley:
Von Jugend an hat mich diese Frage bewegt. Also suchte ich mir die
Antwort aus der Schrift. Da bin ich besonders bei Stellen aus der
Bergpredigt hängen geblieben, etwa wenn Jesus sagt: Euer Vater weiß, was
ihr nötig habt. Und: Er weiß es, bevor ihr Ihn überhaupt bittet. Gott
sieht jede Not voraus. Er hört unser Rufen. Er ist uns ja in unfassbarer
Weise zugewendet. Unsere Namen sind in Seine Hand geschrieben, wie der
Prophet Jesaja sagt. Er kennt unsere Nöte und weiß auch die Wege heraus
aus der Not.
Gut, aber greift Er auch ein? Loley: Ich
habe die Erfahrung gemacht, dass sich dann die Umstände auf nicht
vorhersehbare Weise unsichtbar fügen. Oft habe ich mich gefragt: Wieso
passiert genau jetzt dieses oder jenes? Wieso sagt mir gerade jetzt
diese Person etwas Bestimmtes? Warum tritt ein Umstand ein, der mich aus
einer Gefahr herausführt? Durch solche Erfahrungen bin ich im Laufe
meines Lebens auch in eine immer engere Beziehung zu meinem Schutzengel
getreten. Wie oft war ich mir sicher, dass mir von ihm her Hilfe zuteil
wird! Dass dies so ist, wissen wir ja aus der Schrift. Da heißt es: „…
Denn der Herr ist deine Zuflucht, du hast dir den Höchsten als Schutz
erwählt. Dir begegnet kein Unheil, kein Unglück naht deinem Zelt. Denn
er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie
tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein
stößt…“ (Ps 91) Starke Worte:?Der Engel sorgt dafür, dass mein Fuß nicht
an einen Stein stößt. Das habe ich mir immer wieder plastisch
vorgestellt…
Du nimmst das, wie es da steht? Loley:
Klar. Das ist keine symbolische Aussage. Es drückt eine Realität aus:
Ich habe einen Engel, der von Gott für mich einen Auftrag bekommen hat.
Für mich geht es darum, eine freundschaftliche Beziehung mit ihm
einzugehen.
Wie soll man sich das denn vorstellen? Loley:
Man muss eben das Bewusstsein pflegen, dass dieser Engel da ist,
gegenwärtig. Mir ist das eigentlich fast immer bewusst. Im übrigen Leben
ist das ja ähnlich: Ich weiß mich stets mit dir in Freundschaft
verbunden – auch wenn Du nicht in der Nähe bist. Und die reale Nähe des
Engels ist noch verbindlicher als die Nähe eines geliebten Menschen. Da
geht es um eine innere Sicherheit, in der ich durch eine Unzahl von
Schriftstellen bestärkt worden bin.
Hast Du das dann in deinem Leben auch wirklich so erfahren? Loley:
Selbstverständlich. Da gibt es eine Unzahl von Begebenheiten, in denen
ich mich gefragt habe: Warum ist das jetzt so gelaufen? Es gab mehrere
Situationen, in denen mich Gott konkret durch Eingreifen in ein
Geschehen vor dem Tod bewahrt hat.
Erzähle… Loley:
Ich denke da an eine Autofahrt, bei der ich angesetzt hatte, einen Lkw
zu überholen. Als ich etwas vor dem Lkw bin, blockiert das rechte
Vorderrad, es schleudert mich zunächst vor den Kühler des Lastwagens und
dreht mich dann so, dass ich auf der Gegenfahrbahn lande und verkehrt
zur Fahrtrichtung zum Stehen komme. Ich war so konsterniert, dass ich zu
keiner Reaktion fähig gewesen war. Für den Fahrer des Lkw war es
unfassbar, dass es ohne Zusammenprall abgegangen war. Im Moment war mir
klar: Dass Du überlebt hast, war menschlich nicht machbar. Oder eine
andere Geschichte: Nach dem Krieg war ich ohne Arbeit und in echter Not,
nichts zu essen. Da bekomme ich einen Brief von einer älteren Freundin,
einer gläubigen Frau. Sie habe von mir geträumt und sei unruhig
aufgewacht. Daher ihr Brief. Es sei ihr der Gedanke gekommen, es könnte
mir schlecht gehen. Sicherheitshalber lege sie Geld bei: 50 Schil?ling,
damals ein lebensrettender Betrag. Ich könnte noch weitere, menschlich
unerklärbare Erfahrungen erzählen (siehe Kasten).
Wie
antwortest Du aber auf die Frage: Wieso gibt es dann so viele Menschen,
denen in ähnlicher Situation keine Hilfe zuteil wird, die scheitern,
zugrunde gehen, verzweifeln? Sieht Gott da weg? Loley: Man
kann nicht jede Frage rein diesseitig beantworten. Wer das wollte,
müsste die unüberblickbar vielen Zusammenhänge des Lebens kennen. Aber
eines weiß ich sicher: Gott ist da! Er sieht die Lage, Er weiß, wie es
uns geht, und Er erhört uns, wenn wir uns an Ihn wenden. Manchmal wird
es allerdings auch so sein: Wenn ich einen sehr guten Freund habe, der
mir jederzeit helfen würde, ich mich aber nie an ihn wende, wird die
Hilfe eben oft ausbleiben. Fest steht jedenfalls und für diese
Überzeugung lebe ich: Wer sich vertrauensvoll an Gott wendet, kann fix
damit rechnen, dass im rechten Moment Hilfe kommt. In meiner beruflichen
Tätigkeit als Fürsorgerin habe ich oft erlebt, dass Leute gesagt haben:
„Ich habe diesen Schicksalsschlag als die Katastrophe schlechthin
angesehen. Heute erkenne ich: meine Interessen, meine Einstellung, etwa
den Mitmenschen gegenüber, hätte ich nie geändert, wenn mich diese Not
nicht getroffen hätte. Jetzt weiß ich, dass es zum Guten ausgeschlagen
hat. Dem Missgeschick verdanke ich, dass es mir jetzt gut geht. Und ich
frage nicht mehr : Gott, wo bist Du? Warum hörst Du nicht? Heute, im
Rückblick erkenne ich, dass ich irgendwie geführt war.“
Heißt das: Jeder täte gut daran, die Augen für das Wirken Gottes in seinem Leben zu öffnen und darauf zu setzen? Loley:
Ich bin immer tiefer in die Einsicht geführt worden, wie Gott führt,
was nicht heißt, dass ich alles sofort durchschaue. So konnte ich
zunächst nicht verstehen, warum ich zweimal nach kurzer Zeit aus
Klöstern, in die ich eintreten wollte, entlassen wurde. Jedes Mal trat
eine Krankheit auf, die ich davor nie gehabt hatte und die mir das Leben
im Kloster unmöglich gemacht hätte. Beim zweiten Mal war für mich klar:
Gott lehnt zwar nicht meine Bereitschaft zur totalen Hingabe ab, aber
Er will mich auf einen anderen Weg führen – auch wenn ich momentan keine
Ahnung hatte, wohin dieser führen würde. Über die Jahre hinweg bin ich
dann eher im Dunkeln gegangen, habe aber immer deutlicher erkannt, wie
sinnvoll diese Führung weg vom Klosterleben war. In meinem Wirken als
Fürsorgerin, später in der Flüchtlingshilfe und der „Bewegung Mitmensch“
kamen meine Fähigkeiten viel wirkungsvoller zur Geltung. Gott hatte
mich dazu berufen, meine Hingabe mitten in der Welt im Dienst an meinen
Klienten und den vielen anderen Hilfesuchenden zu leben.
Wie erkennt man den Weg, den Gott uns führen will? Loley:
Man betet, überlegt gut und tut das, wovon man glaubt, es sei das
Richtige. Aber dann ist es auch notwendig, sich mit dem
auseinanderzusetzen, was einem auf dem eingeschlagenen Weg
entgegenkommt, um es im Lichte Got?tes zu betrachten. So hatte ich oft
gute Vorgesetzte, deren Rat mir Weisung wurde, habe aber auch
Rausschmisse erlebt – die sich im Nachhinein als durchaus „wertvoll“
erwiesen, weil sie mich von einem Weg abgehalten haben, der nicht
gottgewollt war. Insgesamt habe ich nie eine Sinnlosigkeit erlebt, nur
weil sich eine meiner Erwartungen in Luft aufgelöst hatte, obwohl vieles
in meinem Leben nicht nach meinen Ideen gelaufen ist. Beruflich bin ich
beim Jugendamt gelandet, konnte dort mit vielen Familien arbeiten und
meine Fähigkeiten voll einsetzen. Bei den Hilfe suchenden Menschen war
mein Platz. Dorthin hat mich Gott geführt. Ja, es gibt nichts auf der
Welt, worauf ich mich mehr verlasse als auf Got?tes Führung.
Das Briefbomben-Attentat„Die Kirche sagt ja zur Lust mit Qualität“
Etwa ein
halbes Jahr vor dem Briefbombenattentat im Jahr 1995 habe ich eines
Tages wie üblich morgens in der Hl. Schrift gelesen – im 13. Kapitel des
Hebräerbriefes: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht“
und: „Der Herr ist mein Helfer, ich fürchte mich nicht. Was können
Menschen mir antun?“ (Hebr 13,5f) Als ich diese Worte lese, bin ich
zutiefst betroffen. Gott berührt mich, in diesem Moment richtet Er diese
Worte direkt an mich! In den Wochen danach musste ich diese Stelle
lesen und lesen. Tag für Tag schlage ich diesen Abschnitt auf – immer
wieder. Mit der Zeit gehen mir diese Worte in Fleisch und Blut über. Es
hat mich mit der Festigkeit einer Säule – übrigens ein schwacher
Vergleich – gestützt und getragen, in mir das Gefühl der Unbesiegbarkeit
wachsen lassen. Das geschah, wie gesagt, in den Monaten vor dem
Briefbombenattentat, eine Zeit voll Anspannung. Mehrmals waren schon
Briefbomben ausgeschickt worden. Von der Polizei wurde ich öfter
gewarnt, auch ich könnte Adressat einer Briefbombe sein. So lebte ich
zwar in einer gewissen Anspannung, ging aber meiner Arbeit normal nach.
Ich kann mich nicht erinnern, wirklich Angst gehabt zu haben. Am
16. Oktober war ich auf der Post, um mein Postfach zu leeren. Ich folgte
dann einer eindringlichen inneren Aufforderung – als wäre jemand hinter
mir gestanden –, die Post gleich an Ort und Stelle zu öffnen. (Im
nachhinein war ich sicher: Diese Aufforderung war von meinem Schutzengel
ausgegangen.) Normalerweise bin ich mit den Schriftstücken nach Hause
gegangen, um mir daheim alles in Ruhe anzusehen. So habe ich mir
die Absender der Briefe angesehen. Auf einem war zu lesen: Liga der
Menschenrechte. Da ich knapp davor den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis
bekommen hatte, dachte ich, der Brief müsse etwas mit der
Preisverleihung zu tun haben… Am Kundentisch sitzend beginne ich
also den Brief zu öffnen– und löse damit die Explosion aus. Wäre ich wie
üblich gestanden, über die Briefe gebeugt, hätte mich die Explosion
voll im Gesicht getroffen. So habe ich nur oberflächliche Verletzungen
im Gesicht, die eingezogene Decke im Postamt aber wird an zwölf Stellen
durchgeschlagen. Ein Querschläger verursacht eine größere Wunde am Kopf.
Allgemeiner Schock. Totale Verwirrung rund um mich. Eine Frau legt
mir einen wirklich fachgerechten Verband an. Ein anderer Postkunde hält
meinen verletzten Arm in die Höhe und hält auf diese Weise den
Blutverlust gering. Zwei Ärzte eilen zu Hilfe. Ich werde ins Krankenhaus
gebracht. Schon bei der Fahrt ins Krankenhaus trägt mich eine
erstaunlich große innere Ruhe, auch während des Wartens vor dem
Operationssaal. Mein letzter Gedanke bevor die Narkose voll zu wirken
beginnt, eine Stelle aus dem Psalm 91: „Ich bin bei ihm in seiner
Bedrängnis…“ Innere Ruhe auch beim Aufwachen nach der Operation.
Diese innere Sicherheit, die mich da trägt, hatte sich im Laufe der
Monate nach dem Lesen im Hebräerbrief aufgebaut. „Ich lasse dich nicht
im Stich!“
Maria Loley
Zu unserem Helfer hinfindenGott „funktioniert“ nicht einfach auf Knopfdruck (Christa Meves)
Mir
hat Gott noch niemals geholfen“, sagt unvermittelt eine mir unbekannte
etwa 40-jährige Frau, die mir in der Bahn gegenübersitzt und meine
Broschüre Was Gott dir schenkt, erspäht hat. Sie schaut mich dabei
geradezu trotzig-anklagend an. „Das ist ja auch
nicht so ohne weiteres möglich“, wage ich zu entgegnen. Mein Gegenüber
freut sich über die gelungene Provokation: „Und doch soll er die
Gerechtigkeit in Person sein, heißt es doch. Geht das etwa zusammen?“
Ein triumphierender Blick soll mich außer Gefecht setzen. „Aber
vielleicht sperren Sie Gott so aus, wie mich aus dem Abteil, indem Sie
es für besetzt erklärten, nur weil Sie allein sein wollten,“ erinnere
ich lächelnd an die Szene, die sich zuvor zwischen uns abgespielt hat.
Die Frau schweigt verblüfft, fragt aber nach einer Weile, nun in
nachdenklichem Ton: „Wie meinen Sie das?“ So gab sie mir Gelegenheit zu
einer kleinen Laienmission: Meine Mitreisende hat ja mit einer
Beobachtung recht: Gott ist gewiss nicht unser Wunscherfüllungsgehilfe.
Er reagiert selten einmal wie ein Zauberkünstler auf Knopfdruck, wenn
wir in die Hände klatschen und Ihn auffordern: „Nun mach mal!
Bitteschön, ich gebe Dir Gelegenheit, mir zu präsentieren, dass Du der
Allmächtige bist!“ Gegen solche Anmaßung aus Menschenmund pflegt Gott
taub zu sein – vermutlich aus Liebe zu Menschen mit unangemessenen
Forderungen. Denn gewiss will Er solche verwöhnende Ansprüche, die die
innerseelische Entwicklung blockieren, nicht unterstützen. Gott
will vielmehr eingelassen werden, wenn Er anklopft, so hat Er uns in der
Offenbarung des Johannes 3,20 vermittelt: „Ich stehe vor der Tür und
klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem
werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit
mir.“ Nur also wenn wir Ihm aufmachen, kann Er uns beschenken! Doch wie lässt sich das in unserem Leben bewerkstelligen? „Aber wie soll ich das anstellen?“, fragt denn auch meine Mitreisende.
Nun, indem wir in aller Demut versuchen, uns unserem Herrn anzunähern,
indem wir versuchen etwas von Ihm zu verstehen. Und das funktioniert
nur, wenn wir uns mit den Berichten und Aussagen beschäftigen, in denen
Er direkt über sich und Sein Vorhaben mit uns Menschen gesprochen hat.
Wir müssen uns also an die Heilige Schrift heranmachen, den Aussprüchen
der Propheten nachsinnen, uns mit Davids Befindlichkeit identifizieren,
vor allem aber den Aussagen und Ereignissen des Neuen Testaments
nachlauschen, oft, täglich, morgens und abends, und uns Zeit nehmen, in
die Texte hineinzudenken, sie zu verstehen suchen. Auf diese Weise wird
unweigerlich das Interesse daran wach. Die wachsende Wissbegier
beginnt dann, uns anzutreiben. Wir beginnen mit den nun aufkommenden
Fragen „Fachleute“ zu konsultieren – Priester und überzeugte Laien. Wir
gehen auf die Suche nach Predigten und nach Glaubensformen, die dem
Bedürfnis nach Annäherung entsprechen. Wir suchen Heiligtümer auf. Ein
solches Bemühen bedeutet, unversehens ein Sensorium für das Walten
unseres leisen Gottes zu entwickeln. Und plötzlich erlebt man
bestaunenswerte, beglückende „Zufälle“ als „wunderbar“ im wahrsten Sinne
dieses Wortes. Zum Beispiel: Man entgeht mit knapper Not einem
lebensgefährlichen Unfall, eine Arbeitsstelle bietet neue
Entfaltungsmöglichkeiten, eine Freundschaft tut sich auf. Man stellt
fest: Beglückende Umstände mehren sich, manchmal so überraschend, dass
man spontan dankbar in die Knie geht und nur noch zu stammeln vermag:
„Oh mein Gott!“ Durch eine äußerlich nur unscheinbare, aber
letztlich durch eine entscheidende Lebensveränderung haben wir – so
nennt das Jesus – ein Stück „Himmelreich“ gewonnen, lediglich dadurch,
dass wir uns dem wartenden Gott zugewendet, und dem leise Anklopfenden
aus freiem Entschluss die Tür zu unserem Abteil geöffnet haben! Wir haben unser hochmütiges Alleinseinwollen durch ein sich dem Anklopfenden öffnendes Erleben überwunden!
Wie viel mehr Möglichkeiten haben wir nun dadurch, Gott direkt
anzusprechen, wie viel mehr Antworten, wie viel mehr Hoffnung ergibt
sich durch seine Nähe – auch dazu, dass wir erhört werden können –
jedenfalls wenn wir nichts Unbilliges, nichts Unerfüllbares erbitten.
Erst wenn diese Situation eingetreten ist, schlägt die Stunde zu einem
echt angemessenen Gebet. Dann erst kommt alles Bitten aus dem Raum einer
erlauschten seelischen Tiefe des Hörens, Verstehens, des Annäherns auf
dem Boden eines erhöhten Bezugs zur Heiligen Dreifaltigkeit! Nun kann
der Weg zu einem erfüllten Lebensziel in vollem Bewusstsein seines
Sinnes beginnen. „Geöffnete Ohren, klarsichtige Augen – ein von
intellektueller Verblendung befreites Herz brauchst Du,“ ruft uns
Christus mit seinen Wundern in vielen Gleichnissen zu. „Denn das ist die
Voraussetzung dafür, dass sich Meine Rettung für dich in dir
verwirklichen kann!“
Hilfe in praktischen Dingen
Wenn Gott für Nahrung, Baumaterial und Hilfe durch Handwerker sorgt (Cenacolo; Christof Gaspari)
Cenacolo:
eine Gemeinschaft, in der suchtkranke Jugendliche „aus der Finsternis
zum Licht finden“ und Wunder der Heilung geschehen. Die Gemeinschaft
lebt von der Vorsehung. Was das bedeutet, erklärt im Folgenden der für
das Cenacolo im Burgenland Verantwortliche.
Die Gemeinschaft Cenacolo lebt von der Vorsehung. Wie prägt das das Leben der Mitglieder? Georg:
Im Grunde genommen heißt es: auf Gott zu vertrauen, zu wissen, dass Er
es ist, der die Dinge macht und nicht wir. Mutter Elvira, unsere
Gründerin, hat es oft erzählt: Sie wusste: Ich werde mir die Ärmel
hochkrempeln müssen und aktiv werden. Allerdings war sie sich auch ihrer
begrenzten Fähigkeiten, das Werk zu beginnen, bewusst: Sie war keine
ausgebildete Psychologin, keine Drogenexpertin, keine Managerin… Jedoch
war ihr Vertrauen auf Gott, dass Er es sein würde, der trotz all ihrer
Schwächen und Fehler das Werk voranbringen würde, um Vieles größer. Es
war ihr auch von Anfang an klar, dass nicht sie es sein wird, die den
jungen Menschen helfen würde, sondern der Herr selbst. Er ist es, der
wirklich zu heilen vermag – und sie wollte sich Ihm zur Verfügung
stellen. Sie hat eben das Evangelium ernst genommen. Sie war einfach
sicher: Wenn Gott dieses Werk will, wird Er sich auch darum kümmern,
auch um Kleinigkeiten. Von uns erwartet Er, dass wir beten, uns ganz
einsetzen, dass wir vertrauen und glauben…
Sie hat also ganz auf den Willen und das Wirken Gottes gesetzt? Georg:
Ja, durchaus auch in praktischen Dingen. Sie hat zehn Jahre um ein Haus
gebetet, musste viele Kämpfe durchstehen – aber sie hat nicht
lockergelassen, weil sie wusste: Gott hat ihr dieses Anliegen ins Herz
gelegt, Er würde das Werk vollbringen. Und so war es auch. Und daher ist
es bei uns so, dass wir in allem ganz auf Gott vertrauen: dass Er uns
mit Nahrung versorgt, wenn es um Projekte geht, die richtigen Leute
schickt und die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt…
Hilft euch Gott sehr konkret? Sorgt Er also wirklich für das tägliche Brot, das Gewand …? Georg:
Ja, Er sorgt ganz konkret. Aber das muss man erst begreifen. Ich hatte
da auch meine Mühe, meine Zweifel. Wie ich ins Cenacolo gekommen bin,
haben mir die Burschen gesagt: Du musst Dich hinknien und beten – und Du
wirst sehen, Gott schickt uns alles, was wir brauchen. Nach außen habe
ich ja gesagt, gedacht habe ich mir jedoch: Ob das wirklich so
funktioniert? Heute kann ich es bestätigen, ich erlebe es ja jeden Tag.
Vor einer halben Stunde hat sich drüben im anderen Haus der große Tisch,
an dem Du gesessen bist, unter der Last der Lebensmittel gebogen. Oder
es fährt ein Auto vor und bringt uns Waschpulver… Das hier in der
Gemeinschaft zu erleben, ist natürlich ein Privileg. Es hilft den
Burschen auf ihrem Weg der Bekehrung hier. Aber ich bin sicher, dass
jeder auf seine Weise auch heute eine ähnliche Erfahrung machen könnte.
Die Vorsehung hat ja viele Gesichter.
Wie kann man sich für das Wirken der Vorsehung öffnen? Georg:
Am wichtigsten ist das Gebet. Dass wir so leben dürfen, hängt sicher
davon ab, dass viele Menschen für uns Messen aufopfern, beten… Das ist
das größte Geschenk, das uns hier im Cenacolo gemacht wird. Und dazu
kommen die vielen Hilfen. Wie das bei unserem Erweiterungsbau gelaufen
ist, darüber könnte man Bücher schreiben. Wie viele Menschen haben da
mitgeholfen! Das war etwa der Pensionist aus dem Nachbardorf, der sich
bei der Maurerei auskennt und jeden Tag eine Stunde gekommen ist, um uns
zu zeigen, wie man das angehen muss – und die vielen anderen Hilfen…
Wie erkennt man, dass ein Projekt von Gott gewollt ist? Etwa das neue Haus? Georg:
Zuerst ist es eine Idee, dann versucht man zu erkennen: Ist es auch
notwendig? Vernünftig? Man überprüft, ob auch andere die Idee hatten,
sie wichtig finden.Ich bin kein Theologe, denke aber, Glaube und
Vernunft müssen da zusammengehen.
Und dann trägt man das Anliegen vor Gott hin… Georg:
Das ist ganz wichtig. Wir beten hier viel: täglich drei Rosenkränze,
halten Anbetung. Und dabei werden solche Ideen im Herzen geboren. Abends
mache ich z.B. oft einen Tagesplan für den nächsten Tag. Dann schreibe
ich mir etwa 10 Punkte auf. Und wenn ich am nächsten Morgen um halb fünf
in der Kapelle eine Stunde Anbetung halte, merke ich: Die Hälfte von
dem, was ich notiert hatte, ist nicht wichtig. Mit dem Hausbau war es
ähnlich. Da gab es auch immer wieder Hindernisse zu überwinden,
Korrekturen anzubringen. Das Ganze hat ja sieben, acht Jahre gedauert –
aber langsam ist es gewachsen…
Also keineswegs reibungslos? Georg:
Keineswegs. Aber heute bin ich sehr dankbar für die Zeit der Prüfung.
Solche Zeiten sind wichtig – in jedem Leben. Man muss eben erkennen, ob
man eigenen Wünschen nachhängt oder Gottes Willen tut. Man muss
unterscheiden: Handelt es sich um ein Strohfeuer? In dieser Zeit haben
wir viele Novenen gebetet, viele Fasttage abgehalten – und so ist die
Entscheidung gereift. Heute wissen wir, dass es der Wille Gottes war.
Fügt Gott die Dinge dann zusammen? Georg:
Und wie! Da könnte ich stundenlang erzählen. Allein die Ordnung, die
Gott einhält! Er schickt uns nicht zuerst das Dach und dann erst den
Keller. Als wir den Elektriker gebraucht haben, ist einer gekommen. Und
ähnlich war es mit der Heizung. Warum ist der Mann nicht erst zwei Jahre
später aufgetaucht? Nein, er war da, als wir ihn brauchten. Keine
Frage: Wir waren natürlich in jeder Bauphase besonders offen für die
jeweils bestehenden Erfordernisse. Gott und Mensch wirken zusammen. Je
mehr wir in Ihm sind, umso besser geht alles über die Bühne. Aber immer,
wenn ich etwas von Ihm abrücke oder mich in meine eigenen Ideen
verliebe, spüre ich, wie die Harmonie, die sonst erfahrbar ist, verloren
geht.
Und wenn sich´s spießt? Georg:
Auch das gibt es. Gott lässt das zu, weil Er uns erziehen will. Er
will, dass wir die Dinge wieder schätzen lernen, dass wir dankbarer
werden. Vielleicht haben wir das Gebet vernachlässigt, oberflächlich
gebetet. Dann passiert es, dass Du drei, vier Monate keinen Kaffee,
keinen Zucker hast…Dann hängt dir die Zunge heraus. Eine ganz wichtige
Phase: Du wirst wieder dankbar. Heute, wo wir gewöhnt sind, alles zu
haben, ist die Entbehrung wichtig. Wer das als Werk der Vorsehung zu
deuten vermag, lernt, sich wieder über die Dinge, die ihm versagt
geblieben waren, zu freuen. Was war das für eine Freude, als unsere
Burschen, die zu 30 auf 100 Quadratmeter gewohnt haben, in das größere
neue Haus übersiedeln konnten!
Lehrt die Vorsehung also, Durststrecken durchzustehen? Georg:
Ja. Keiner wünscht sich solche Phasen. Klar. Aber heute – es klingt
fast absurd – muss ich sagen: Ich bin dankbar für meine Alkoholsucht,
für diese elenden Jahre. Letztlich waren sie die Voraussetzung für den
Weg, den ich heute gehe. Gott nützt auch das, um uns neue Horizonte zu
eröffnen. Man kann nicht sagen, dass Gott uns da etwas antut. Liebe ist
Liebe und Gott ist Liebe. Aber Er nützt alles, was in unserem Leben
geschieht.
In
unserer Zeit gilt: Du musst Dein Leben in die Hand nehmen, die Zukunft
planen, alles läuft organisiert ab. Wie findet man da zu einer Haltung,
die alles von Gott erwartet? Georg: Noch einmal: durch das
Gebet. Ich muss mich auf Gott einlassen, so kann ich die Erfahrung
machen: Gott führt mich. Und beten lernt man betend. Zugegeben: Das ist
schwierig. Denn viele denken heute: Ich schaffe eh alles. Und dabei: Was
für eine Lüge! Wir brauchen ja nur einen Blick in die Zeitung werfen,
um zu erkennen, wie zerbrechlich unsere Riesenprojekte sind. Natürlich
sollen die Menschen auch Großes anstreben – aber mit Gott im Herzen! Das
gilt auch für unsere Alltagsentscheidungen. Da sollten wir uns fragen:
Brauchen wir überhaupt das neue Auto, sollen wir uns so verschulden, um
das Haus groß auszubauen? Mir geht es ja genauso: Wie schnell hab ich
eine Superidee – aber bei längerer Betrachtung im Gebet muss ich
einsehen: Das ist nur auf deinem Mist gewachsen.
Und dann? Georg:
Das Trostreiche ist, dass man mit dem Lieben Gott nie zu einem Punkt
kommt, wo es nicht weitergeht. Er nützt auch unsere Blödheiten und
Sünden, um die Dinge zum Guten zu wenden. Auch wenn ich mich verirrt
habe, zeigt Er mir immer wieder den Weg, wo es zurückgeht. Das gibt
Sicherheit im Leben.
Zum Schluss noch eine Frage: Wie hat Gottes Vorsehung die weltweite Gemeinschaft Cenacolo bisher geführt? Was ist da entstanden? Georg:
In den letzten 28 Jahren sind fast 60 Häuser entstanden. Sicher
eindrucksvoll. Aber Mutter Elvira sagt es uns immer wieder: Das
wirkliche Cenacolo befindet sich in unserem Herzen. Nicht die Häuser
machen es aus. Wichtig ist, dass durch diese Häuser Kinder wieder
lachen, Familienväter sich wieder mit ihren Söhnen versöhnen und auf sie
stolz sind, weil sie aus der Finsternis zum Licht gefunden haben. Und
das sind mittlerweile viele, viele Tausende. Wichtig ist, dass
Jugendliche, die uns hier besuchen, entdecken, dass es im Leben mehr
gibt als Spaß und Party. Das will Gott durch Cenacolo wirken. Unsere
Häuser sind Orte – ich sage das ohne Überheblichkeit –, in denen
Menschen unserer Tage erfahren können, dass Gott konkret wirkt, im
Alltag, dass man sich auf Ihn einlassen kann. Wie spannend ist doch das
Leben mit Gott!
Weiterführende Themen:
Das innerliche Leben
/ Sind wir noch Christen? / Macht der Medien
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» Gott
ist die Liebe - Hinweise
» Leben
mit Gott
»
Hilfen fürs Leben
» Fragen
- Leserbriefe - links
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Jeder Atemzug sei Anbetung!
"Gott liebt dich.
Er ist die Liebe. Rede es dir vor, schreibe es auf, singe davon,
dann wird dein Herz von der Liebe Gottes überflutet und du LEBST".
Zähler und Statistik
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